FÜR KONSUMENTEN FREITAG, 18.11.2022 | NR. 515 3 PV-Anlagen auf dem Kirchendach Stromliberalisierung großteils misslungen DieTirolerbasics versorgen die Tiroler im Rahmen der Serie zur Teuerungswelle laufend mit Hintergrundinformationen und Expertentipps. Diese Folge ist ein Gastbeitrag von Christian Marte, Rektor des Jesuitenkollegs Innsbruck. Er studierte Wirtschaft, Philosophie undTheologie in Innsbruck,MünchenundLondon. Er ist auch Innsbrucker Gefängniskaplan. VON CHRISTIANMARTE Wer erhält das Geld aus den explodierenden Energiepreisen? Und was geschieht damit? Diese Fragen tauchen auf, wenn man für konkrete Budgets verantwortlich ist. In meinem Fall geht es um das Jesuitenkolleg Innsbruck, an dem budgetär zahlreiche Einrichtungen hängen: u.a. eine stark frequentierte Kirche, ein Jugendzentrum, ein StudentInnen-Heim und ein Theologisches Kolleg. Für 2022 rechnen wir mit 50.000 € Stromkosten, für 2023 mit 200.000 €. Von der Stromkosten-Bremse für Haushalte spüren wir nichts, obwohl wir 75 Bewohner im Haus sind. Ich weiß, dass es vielen kirchlichen Einrichtungen gleich geht: Caritas-Einrichtungen, Altenheimen, Pfarren, Bildungshäusern. Der Tiroler Energieversorger TIWAG schreibt auf seiner Homepage: „Wir versorgen unsere Kundinnen und Kunden mit Strom aus 100 % erneuerbaren Energiequellen.“ Die Produktionskosten für Wasserkraft und andere erneuerbare Energiequellen sind nicht gestiegen, und viele Kraftwerke sind längst abgeschrieben. Warum steigen dann die Verkaufspreise? Die grobe Antwort ist folgende: Bis 2000 war der österreichische Strommarkt staatlich stark reguliert. Mit 1. Oktober 2001 erfolgte die Liberalisierung: Strom wurde ein Produkt, das von privaten Firmen gehandelt wird. Die EnergieVersorgungs-Unternehmen (EVU) wurden zu individuellen Markt-Teilnehmern, die nun vor allem ihr Unternehmensziel verfolgten. Sie optimierten ihre Betriebe und lieferten Erträge an die großteils öffentlichen Eigentümer, und damit in die Bundes- und Landesbudgets. Die Gründungsidee der regionalen Daseinsversorgung trat in den Hintergrund. Zu einem Teil ist die Liberalisierung gelungen: Strom war relativ zu anderen Energieträgern billig. Zum größeren Teil ist die Liberalisierung aber misslungen: • Notwendige Infrastruktur-Investitionen hat man unterlassen. • Private Anbieter geben jetzt, in schwierigen Zeiten, auf. KundInnen kehren zu den EVUs im öffentlichen Eigentum zurück – und diese müssen nun Strom teuer einkaufen. • Die Regulierungs-Bürokratie im Stromsektor ist stark gestiegen. Damit sind Stromrechnungen für KundInnen viel zu kompliziert geworden. Wenn wir nun sechs bis neun Monate voraus denken, dann müssen wir mit gesellschaftlichen Problemen rechnen. Viele Haushalte, Unternehmen und Non-Profit-Organisationen (NPOs) werden Einnahmen und Ausgaben nicht mehr zusammenbringen. Ich glaube deshalb, dass folgende Punkte wichtig sind: Energie sparen, wo es nur geht, Kompensation von Energiekosten, auch für NPOs, und Photovoltaik auf die Kirchendächer! PV-Anlagen: Bundesdenkmalamt muss sich bewegen Photovoltaik bedeutet Strom aus Sonnenstrahlen. Das senkt unmittelbar die Stromrechnung, wenn man für den Eigenverbrauch produziert. Photovoltaik ist ökologisch geboten (weil erneuerbar), ökonomisch sehr sinnvoll (rasche Amortisation der Investition) und politisch klug (weniger Geld an kriegführende Öl- und Gas-Produzenten). In Österreich haben wir hier viel verschlafen – und müssen aufholen. Der Anteil an PV-Anlagen ist zu gering. Jedem Häuslbauer wird die Kanalisation vorgeschrieben – warum nicht auch eine PV-Anlage? Der Denkmalschutz ist in Österreich sehr gut aufgestellt. Bei der Photovoltaik aber muss sich das Bundesdenkmalamt bewegen. Die Vorstellung, dass auf Kirchendächern prinzipiell keine PV-Anlagen sein sollen, ist heute absurd. Spätestens nach der Enzyklika Laudato Si von Papst Franziskus (Mai 2015) ist diese Vorschrift seitens der Kirche nicht mehr akzeptabel. Gerade auf Kirchendächer gehören PV-Anlagen! Weil mit PV-Anlagen alleine der steigende Strombedarf (z. B. im Bereich Mobilität) nicht abgedeckt werden kann, wird es weiter den Bau von Kraftwerken und Speichern brauchen. Daseinsvorsorge für die Menschen ist die primäre Aufgabe von EVUs Energieversorgungsunternehmen (EVU) sind in Österreich nicht mehr vollständig im öffentlichen Eigentum. Aus der Gründungsgeschichte ergibt sich bei den meisten EVUs jedoch die Daseinsvorsorge der Bevölkerung als ursprüngliches Anliegen. Auch wenn sich viele EVUs nun als Kapitalgesellschaften organisiert haben: Das Ursprungs-Anliegen darf nicht verloren gehen. Hier sollte man neue gesetzliche Regelungen ausarbeiten, die den Versorgungsauftrag stärker als bisher verankern. Ich weiß, dass sich Aktiengesellschaften an das Aktiengesetz halten müssen. Es ist jedoch Sache der Eigentümer, grundsätzliche Fragen zu klären – letztlich auch, ob die derzeitigen Rechtsformen von EVUs weiterhin sinnvoll sind, um den Ursprungsauftrag zu erfüllen. Christian Marte bei einem Treffen mit Papst Franziskus imMärz 2018. FOTO: CHRISTIANMARTE.ORG Trendiger Lifehack: Kochen imGeschirrspüler Vor zehn Jahren ging im Internet ein seltsam anmutender Lifehack viral: Kochen im Geschirrspüler. Kein Scherz! Und jetzt feiert er ein großes Comeback. Energiesparen ist ja voll im Trend. Die italienische FoodBloggerin Lisa Casali hat sogar ein Kochbuch dazu geschrieben: „Cucinare in Lavastoviglie“, übersetzt „Kochen in der Spülmaschine“. Fans dieser seltsamen Kochmethode schwören darauf, dass Speisen so einfach gelingen wie mit einem Dampfgarer. Und Kochen in diesen beiden Geräten folgt dem gleichen Prinzip: Langsames Garen auf niedriger Temperatur, um die Zutaten schonend zuzubereiten, damit sie saftig bleiben. Und – in Österreichs Küchen stehen mehr Geschirrspüler als Dampfgarer. Eatsmarter.de erklärt, wie es funktioniert: „Intensivprogramme mit Temperaturen über 65 Grad eignen sich am besten zum Gemüsekochen und Sparprogramme (50 bis 60 Grad) sind optimal, um Fisch und Fleisch zu garen. Wichtig: Das Essen muss luftdicht verschlossen werden, damit kein Spülwasser an die Zutaten gelangt. Dafür eignen sich am besten Einweckgläser oder Bratschläuche.“ Das Kochen in der Spülmaschine spart Energie, da man den vollen Spülmaschine statt Dampfgarer. FOTO: PARRAGON Geschirrspüler ja sowieso in Betrieb genommen hätte. Denn schmutziges Geschirr und die frische Speise gehen Seite an Seite gemeinsam durch den Spülvorgang. Und durch die luftdichte Verpackung gelangen weder Schmutz noch Spülmittel ins Essen. Im Internet werden fleißig Erfahrungsberichte geteilt. Für Besitzer von Bosch-Geschirrspülern klingt das dann beispielsweise so: „Ihr müsst für Fleisch und Fisch das Eco 502 Grad Programm und kein Vario Speed anschalten, ansonsten werden die Speisen etwas zu lang gekocht und leider trocken.“ A‘KOMMENTAR Gesetzgeber muss bei Wohnkosten eingreifen! von AK-Präsident Erwin Zangerl Wohnen wird für immer mehr Menschen zu einem nanziellen Problem. Es braucht deshalb wirksame Gegenmaßnahmen, denn die Mieten dürfen nicht schneller steigen als Löhne und Gehälter. Ist das – so wie jetzt – der Fall, ergibt sich daraus ein fataler E ekt, denn werden die Mieten mit der In ation erhöht, werden sie selbst zu einem wesentlichen Treiber der Teuerung. Deshalb muss der Gesetzgeber eingreifen und für Betro ene eine planbare Lösung bieten. Man darf auch den Schaden für die Wirtscha nicht vergessen, da aufgrund der enorm hohen Wohnkosten das Geld für den Konsum fehlt. Beim ema Wohnen erfolgt eine Umverteilung des Geldes hin zu professionellen Vermietern, während dem Großteil der Bevölkerung dieses Geld fehlt, mit dem sie eigentlich die Wirtscha stützen. Das kann nicht der Sinn sein. Bereits vor einem Jahr forderte die AK Tirol angesichts der ansteigenden Teuerung Maßnahmen, um die Wohnkosten zu senken, darunter das Einfrieren der aktuellen Mieten, d. h. Aussetzen der Index- bzw. Wertsicherungsklauseln sowohl aufgrund der gesetzlich festgelegten Wertsicherung, als auch der in Mietverträgen vereinbarten Wertsicherung. Die In ation wird teils mit den hohen Energiepreisen importiert, bei den Mieten ist die Teuerung aber hausgemacht. Dass die Mieten durch die In ation steigen, war klar absehbar, deshalb war auch unser Vorschlag, hier gezielt einzugreifen, um die Teuerung zu dämpfen. In anderen EU-Ländern wird dieses Problem bereits angegangen: So dürfen in Spanien und Portugal die Mieten in den nächsten Jahren nur einmal jährlich um maximal zwei Prozent steigen, in Schottland wurden die Mietpreise vorübergehend eingefroren. Der Gesetzgeber muss auch in Österreich endlich reagieren, sonst laufen die Wohnkosten aus dem Ruder. Menschen stehen dann, klar gesagt, irgendwann auf der Straße, weil sie sich die Wohnkosten nicht mehr leisten können. Und das ist nicht zu akzeptieren! erwin.zangerl@ak-tirol.com
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc1MzM=